FSV-Coach Roger Fritzsch zieht Verbandsliga-Zwischenfazit
Alexander Hebenstreit, 13.12.2020
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Normalerweise nutzen wir das Ende jeder Halbserie, um mit einem Interview mit Cheftrainer Roger Fritzsch (Zwischen-)Bilanz zu ziehen. In diesem Jahr gestaltet sich das aber schwierig. Die Rückrunde der Saison 2019/20 fiel für den FSV Schleiz komplett aus und nach der quälend langen Fußballpause im Frühjahr und Sommer reichte es nur zu neun von planmäßig 15 Ligaspielen, ehe corona-bedingt wieder die Notbremse gezogen wurde.
Sei es drum: Auch so brachte die angebrochene Saison genügend Eindrücke, über die es sich zu unterhalten lohnt. Das gilt umso mehr, da die laufende Spielzeit für den FSV Schleiz bekanntermaßen eine ganz besondere ist.
Viel läuft in Sachen Sport gerade nicht. Mal ehrlich: Hast du in der aktuellen Situation überhaupt Lust über Fußball zu sprechen?
Ja klar, immer gern!
Den meisten dürfte das Jahr 2020 vor allem aufgrund der Pandemie in Erinnerung bleiben. In der Vereinschronik des FSV Schleiz wird es aller Umstände zum Trotz aber auch das Jahr sein, in dem man erstmals überhaupt in der Thüringenliga kickte. War es aus heutiger Sicht die richtige Entscheidung, die Chance zu greifen und den Aufstieg wahrzunehmen?
Es gab hierzu intensive und tiefgründige Überlegungen der Vereinsführung. Meines Wissen nach gingen die Meinungen dabei weit auseinander. Am Ende war ich sehr dankbar und glücklich, dass die Vorsitzende Claudia Ludwig und der sportliche Leiter Steffen Saß ihr Okay gegeben haben.
Warum wolltest du als Trainer mit deiner Mannschaft unbedingt in die Verbandsliga?
Weil ich zum einen der vollen Überzeugung war, dass wir bei einer Saisonfortsetzung den sportlichen Aufstieg geschafft hätten. Zum anderen sehe ich noch enormes Entwicklungspotenzial in der Mannschaft und im Verein. Die Herausforderung Verbandsliga mit den strukturellen Gegebenheiten ist zwar eine Mammutaufgabe, aber dies mit der auf diesem Level einzigartigen Vereinsphilosophie zu meistern, ist sehr, sehr reizvoll.
Ich habe mich sicher mit meiner persönlichen Argumentation gegenüber dem Vorstand, diesen Schritt unbedingt zu gehen, weit aus dem Fenster gelehnt. Aber um die Entwicklung des Vereins, der Mannschaft und jedes einzelnen Spielers voranzutreiben, war dieser Schritt unumgänglich.
Also hat der FSV mit dem Ergreifen der Aufstiegschance alles richtig gemacht?
Nach den wenigen Spielen kann man noch kein gänzliches Fazit ziehen, ob es nun richtig oder falsch war. Aber eines ist gewiss: Man braucht weder den großen Geldbeutel, noch braucht man Söldner aus höheren Ligen. Es reicht definitiv auf die eigenen Jungs, die eigene Nachwuchsarbeit, einfach auf die eigene Basis mit den Werten im Verein zu vertrauen, um in dieser Liga zu bestehen.
Sicherlich gehören Verbesserungen in allen Belangen noch dazu, um eine Beständigkeit und Nachhaltigkeit zu erreichen, aber auch hier bin ich guter Dinge, dass dies dem Verein und auch der Mannschaft gelingen wird.
Spielt der Makel, nur aufgrund des Neustädter Verzichts aufgestiegen zu sein, noch eine Rolle?
In einem persönlichen Gespräch mit dem 2. Vorsitzenden des SV Blau-Weiß Neustadt, Alexander Franz, wurden mir die Gründe für ihren Verzicht detailliert erklärt. Dennoch bleibt bei mir persönlich ein bitterer Beigeschmack, dass wir es nicht sportlich nachweisen konnten. Nicht zu vergessen bleibt, dass eben auch Mannschaften wie Kahla, Jena-Zwätzen, Saalfeld und Stadtroda noch realistische Chancen auf einen sportlichen Aufstieg besaßen.
Wir sind zwar extrem glücklich in der Verbandsliga spielen zu dürfen, sehen uns aber auch ein Stück weit getrieben und in der Pflicht, den sportlichen Nachweis für den geschenkten Aufstieg jetzt zu erbringen.
Das dürfte bislang gelungen sein. 19 Punkte aus neun Spielen bedeuten Rang drei für den Aufsteiger aus der Rennstadt. So wie ich dich kenne, wird sich deine Zufriedenheit aber trotzdem in Grenzen halten, oder?
Von den strukturellen und individuellen Voraussetzungen her können wir uns eigentlich mit keiner einzigen Mannschaft in dieser Liga messen. Aus dieser Sicht ist unser bisheriges Abschneiden sehr respektabel. Richte ich den Blick aber allein rein auf das Sportliche und die bisherigen Partien, dürfen wir nicht zufrieden sein.
Vielleicht klingt es für einige etwas überraschend, aber wir hätten paar Pünktchen mehr haben können. Dabei möchte ich die Niederlage in Langensalza gar nicht bewerten. Durch die ungleiche Regenerationszeit wurden wir dort von den Voraussetzungen her klar benachteiligt.
Bleiben noch das 1:1 in Sondershausen und die 3:6-Heimpleite gegen Wismut Gera.
Beim Spiel in Sondershausen standen wir eine Halbzeit lang völlig neben uns und mussten letztendlich mit dem Unentschieden zufrieden sein. Mit einer völlig indiskutablen Leistung gegen Wismut Gera bezogen wir eine verdiente Heimniederlage.
Zweifelsohne besitzt das Wismut-Team eine hohe Qualität. Aber grundlose Überheblichkeit in mehreren Aktionen, pomadiges Zweikampfverhalten, fehlende Handlungsschnelligkeit im Offensiv- wie auch Defensivbereich, desolates Passspiel und unkonzentrierte Abschlusshandlungen machten es einer gierigen Wismut Elf zu einfach, die Punkte aus dem Fasanengarten zu entführen.
Bist du dennoch überrascht, dass sich deine Mannschaft so schnell zurechtfand und so gut da steht?
Es war uns schon bewusst, dass es schwer wird uns zu schlagen, wenn wir unsere Spielidee mutig und mit aller Konsequenz anwenden. Es wäre aber vermessen zu sagen, dass wir vorher mit dieser Punkteausbeute gerechnet hätten.
Was hätte die Mannschaft noch schaffen müssen, um ihren Trainer vollends zufrieden in die Corona-Zwangspause zu entlassen?
Das jetzt alles aufzuführen würde den Rahmen sprengen (lacht). Spaß bei Seite! Ganz ehrlich: nichts, absolut gar nichts! Sicherlich hängt das Wismut Spiel noch etwas nach, aber ich bin dennoch sehr glücklich Trainer dieser Mannschaft zu sein und extrem stolz auf die Jungs.
Was aus der Hinrunde bleibt dir besonders positiv in Erinnerung?
Als Lukas Lange trotz schwerer Gesichtsverletzung im ersten Spiel bei Gera-Westvororte gefühlt 100 Kopfballduelle gewann und zum Matchwinner wurde.
Und was sagst du zur Unterstützung der Fans?
Wahnsinn, einzigartig, großartig! Danke, danke, danke!
Auch im Pokal ist der FSV noch dabei. Erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wurde die nächste Runde erreicht. Wie weit soll hier die Reise gehen?
Erstmal werden wir mit dem größten Respekt nach Hildburghausen reisen. Ich denke dort erwartet uns eine sehr schwierige Aufgabe.
Sind wir einfach mal optimistisch. Normalerweise würde man sich danach das große Los wünschen – am besten den FC Carl Zeiss Jena. Hätte das überhaupt einen Reiz, wenn vermutlich nur vor spärlicher Kulisse gespielt werden dürfte?
Der Reiz, gegen eine höherklassige Mannschaft in einem Pflichtspiel zu spielen, wird immer bleiben. Natürlich am liebsten vor einer großen Kulisse.
Zu Teil 2 des Interviews mit Roger Fritzsch