Chefcoach Roger Fritzsch im Interview: Wir haben eventuell etwas Wucht verloren
Alexander Hebenstreit, 15.08.2022
So in sich gekehrt erleben die meisten FSV-Fans Cheftrainer Roger Fritzsch selten. Spätestens sobald der Anpfiff ertönt, brennt er für das Spiel, so dass es an der Trainerbank schon mal laut und emotional werden kann. Ganz frei von emotionalen Ausbrüchen, stattdessen ganz sachlich geht es derweil in unserem Interview zu.
Wie bereits in den zurückliegenden Spielzeiten praktiziert, wollen wir auch den Beginn der Saison 2022/23 für einen regen Gedankenaustausch mit unserem Cheftrainer Roger Fritzsch nutzen. Eingebettet zwischen dem Auftaktsieg in Eisenberg und der hohen Heimhürde gegen die BSG Wismut Gera (Freitag 18:30 Uhr am Fasanengarten) steht er im Interview Rede und Antwort.
In Teil 1 spricht er unter anderem über seine Eindrücke vom ersten Pflichtspiel der neuen Saison und die Qualität der offensiven Neuzugänge. Zudem nimmt er euch mit auf die Suche nach dem verloren gegangenen Schleizer Power-Fußball.
Der Auftakt ist trotz holpriger Vorbereitung und knappem Personal mit drei Punkten im Eisenberger Schortental geglückt. Rundum zufrieden?
Mit dem Ergebnis definitiv. Mit der Art und Weise natürlich nicht, da wir sehr geringe Ballbesitzphasen hatten und in diesen Phasen einfach zu hektisch bzw. sehr fehlerhaft agiert haben.
Auch die drei Gegentore dürften für die Ansprüche der zweitbesten Abwehr der Vorsaison zu viel sein. Lässt es sich allein mit den Ausfällen von mehreren defensiven Leistungsträgern erklären oder wäre das zu einfach?
Man darf nicht vergessen, dass bis auf Mirko Horn die komplette Viererkette nicht zur Verfügung stand. Dabei meine ich nicht nur die etablierten Stammkräfte wie Martin Berger, Lukas Lange und Robby Kögler, sondern auch die Konkurrenten Nicky Eichelkraut, Sebastian Tens, Pascal Stütz und Hannes Kühnel.
Dennoch haben wir bei allen drei Gegentoren mitgeholfen. Beim 0:1 sind sich Keeper Alexander Hebenstreit und Marco Saß in ihren Aktionen in die Quere gekommen und haben somit das Tor dem Gegner eigentlich geschenkt. Den zweiten Treffer für Eisenberg legt Thomas Liebold mustergültig auf und beim dritten Treffer verpassen wir es im Luftkampf, eine harmlose Hereingabe zu klären. Der anschließende Elfmeter war für Markus Porst ausweglos.
Umgekehrt klappte es offensiv mit fünf Treffern umso besser. Wie beruhigend ist es für einen Trainer, wenn man weiß, dass man jederzeit in der Lage ist, Tore zu schießen?
Wir haben definitiv in der vordersten Linie große Qualität, aber unsere Offensive ist auch immer extrem abhängig von unseren beiden hinteren Linien. Deshalb ist es immer wichtig, dass wir gemeinsam angreifen und auch gemeinsam defensiv arbeiten.
Mit Samba Fatajo als Vorlagengeber und Christian Pätz als Vorlagengeber und Torschütze fügten sich auch zwei Neuzugänge standesgemäß in die Angriffsreihe ein. Sind sie schon zum jetzigen Zeitpunkt eine echte Verstärkung?
Christian Pätz konnte es natürlich sofort unter Beweis stellen, aber auch Samba Fatajo war sehr fleißig. Er wird aber noch ein paar Wochen brauchen, bis er bei 100 Prozent ist. Aber natürlich sind beide absolute Verstärkungen!
Neben Fatajo und Pätz gibt es mit Defensivmann Pascal Stütz einen dritten Neuzugang, hinzu kommt Rückkehrer Max Woitzik. Dem stehen mit Toni Gaschler, Lukas Nietsch und Janek Weiß drei Abgänge gegenüber. Wie ist der FSV im Vergleich zur Vorsaison aufgestellt?
Alle drei Abgänge sind schmerzhaft, auch wenn keiner von ihnen in letzter Zeit zum Stammpersonal gehörte. Gerade Toni Gaschler hätte ich diese Saison den Durchbruch zugetraut. Aber auf der anderen Seite passen alle Neuzugänge vielleicht ein Stückchen mehr zu unserem Spielsystem.
Das Transferfenster ist theoretisch noch bis zum Monatsende geöffnet. Könnte sich hier angesichts der Verletztenmisere noch etwas tun?
Ich würde es mir sehr wünschen, da es gerade auch für den Saisonstart unserer zweiten Mannschaft extrem wichtig wäre. Aber es passt definitiv nicht zu unserer Vereinsphilosophie, da zum jetzigen Zeitpunkt ohne Amateurvertrag nichts mehr möglich ist. Da stehe ich aber 100 Prozent hinter der Vereinsführung. Wenn, dann hätte man eher reagieren müssen. Jetzt geht leider nichts mehr.
Ein langjähriger Beobachter des FSV meinte kürzlich zu mir, dass im zurückliegenden halben Jahr der „Schleizer Power-Fußball“ abhanden gekommen wäre, der mit hohem Laufaufwand, frühem Pressing und enormer Wucht in der Offensive typisch für den Fußball in Schleiz war. Hat er damit recht?
Dieser Aussage kann ich nur bedingt zustimmen. Unsere Ballbesitzphasen haben sich deutlich erhöht. Wir hatten letzte Saison bis auf die ersten Halbzeiten zu Hause gegen Weida und Heiligenstadt immer deutlich mehr Ballbesitz als der Gegner und haben unsere Angriffe strukturierter vorgetragen. Wir haben eventuell etwas an Wucht verloren, aber dafür an spielerischen Elementen dazu gewonnen.
Auch die Ausbeute im Kalenderjahr 2022 kann sich mit 34 Zählern aus 16 Partien – also mehr als zwei Punkten pro Spiel – durchaus sehen lassen. Hat sich der Schleizer Fußball demnach weiterentwickelt?
Wir haben mit Robby Kögler und Tim Sluga letzte Saison zwei fehlende Puzzleteile dazu bekommen. Beide haben enorm dazu beigetragen, dass wir uns in der Spieleröffnung und in der Spielfortsetzung weiter entwickelt haben und somit einen etwas anderen Fußball spielen. Dennoch sehe ich den Schleizer Fußball in seinen Grundelementen unverändert.
In der zweiten Hälfte des Interviews geht es unter anderem um leichte und schwere Gegner in der Thüringenliga, das Geheimnis der Schleizer Heimstärke und natürlich das anstehende Schlagerspiel gegen die BSG Wismut Gera.
Hier gelangt ihr zu Teil 2 des Interviews mit Chefcoach Roger Fritzsch.