Eine FSV-Ikone sagt leise Ade: Dirk „Balder“ Ludwig nimmt seinen Hut
Alexander Hebenstreit, 15.06.2023
Es ist eigentlich egal, wie man es nimmt: So wirklich einfach sind Abschiede nie. Nicht selten stellen sie sogar große Einschnitte dar und selbst unter diesen gibt es Fälle, in denen es noch einmal ungleich schwerer ins Gewicht fällt, wenn jemand geht. Und eben eine solche Konstellation muss aktuell der FSV Schleiz verarbeiten.
Dirk „Balder“ Ludwig, den man mit Fug und Recht als nicht wegzudenkende Vereinsikone bezeichnen darf, hat zum Bedauern Vieler entschieden, seinen Hut zu nehmen und sich von seinen unzähligen Funktionen und Aufgaben beim FSV zurückzuziehen.
Das Zweitwichtigste vorab: Er bleibt dem Verein auch weiterhin als Mitglied erhalten und insbesondere als Anhänger der 1. Mannschaft verbunden. Und das Allerwichtigste gleich hinterher: Danke, Danke und nochmals Danke für Alles, Balder!
Die Konstante schlechthin: 32 Jahre 1. Mannschaft
Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass die Geschichte des FSV Schleiz ohne Dirk Ludwig nicht denkbar ist. Denn als die BSG Glaswerk Schleiz im Zuge der Wiedervereinigung unter ihrem heutigen Namen neu gegründet wurde, war er längst im Schleizer Fußball etabliert. Vormals Leichtathlet schloss sich Balder 1986 den Fußballern an, 1991 gelang ihm noch als A-Junior unter Gerd Bürger den Sprung in die 1. Mannschaft, der er ohne Unterbrechung für 32 Jahre angehören sollte. Neben Bürger nennt Dirk Ludwig Olaf Distelmeier als den zweiten prägenden Trainer seiner aktiven Laufbahn. In dessen erste Amtszeit beim FSV fiel auch eines der bleibendsten Ereignisse für den gelernten Verteidiger.
In der Saison 1999/2000 stießen die Rennstädter das Tor zur Thüringenliga erstmals weit auf, ehe im vorentscheidenden Spiel in Steinach die Nerven versagten. Noch lebhaft erinnert sich Balder, dass selbst gestandenen Größen des Schleizer Fußballs wie Wolfgang Schmidt die Nervosität sichtlich anzumerken war. Vor mehr als 700 Zuschauern führte Schleiz im Steinacher Waldstadion bis in die Schlussphase hinein mit 2:1, um am Ende noch mit 2:5 krachen zu gehen.
Traum erfüllt sich nach mehr als 20 Jahren
„Es war mein Traum, einmal in der Thüringenliga zu spielen“, sagt Dirk Ludwig und scheint mit sich selbst im Reinen zu sein, wenn er davon spricht, dass sich dieser Traum mehr als 20 Jahre später doch noch erfüllen sollte. Am letzten Spieltag der Vorsaison wurde er beim 1:0-Sieg in Bad Frankenhausen eingewechselt und feierte dabei nicht nur den einst ersehnten Thüringenliga-Einsatz für seinen FSV, sondern mit der Vizemeisterschaft auch noch den größten Erfolg der Vereinsgeschichte.
„Die letzten Jahre waren mit die schönsten“, sagt Balder heute rückblickend und meint damit insbesondere die Zeit seit 2015. Damals kehrten Mirko Horn und Frank Gerisch zurück zum FSV Schleiz, mit denen der Defensivspieler in seiner aktiven Zeit noch regelmäßig gemeinsam auf dem Platz stand. Allerdings ist ein genauer Zeitpunkt, wann jene aktive Zeit endete, schwerlich auszumachen.
Offensivqualitäten auf die alten Tage
Auch im fortgeschrittenen Fußballalter waren seine Qualitäten immer mal wieder gefragt, inzwischen nicht selten als kopfballstarker Joker für die Offensive oder auch als Unterstützung für die zweite Mannschaft. Und ebenso fließend war auch der Übergang vom langjährigen Abwehrspieler und späteren Kapitän in die Rolle des Co-Trainers, die über die Jahre um viele Facetten ergänzt wurde, die eigentlich in die Aufgabenbereiche von Betreuern, Mannschaftsleitern und anderen Helfern gehören.
Ebenso wuchs auch das Aufgabenspektrum jenseits der Mannschaft an. Ob in der zeitraubenden Funktion des Platzwarts, als treibende Kraft hinter Bau- und Infrastrukturmaßnahmen, Organisator, Helfer bei der Sponsorengewinnung oder schlicht als Mädchen für Alles: Das unermüdliche Wirken von Dirk Ludwig kannte zeitweise keine Grenzen und dass sich die Sportanlage am Fasanengarten in den zurückliegenden Jahren zu einer der schönsten Ostthüringens entwickelte, ist nicht zuletzt sein großer Verdienst. Zu nennen ist hier insbesondere die Errichtung der Tribüne auf der ehemaligen Aschenbahn. Zuletzt wirkte er maßgeblich am Bau der Barriere entlang der „Gegengerade“ mit.
Interne Differenzen münden in einer Zäsur
Aber natürlich gibt es auch die andere Seite. Wenn jemand mit einer solchen Vita einen Schlussstrich zieht, gibt es hierfür auch Gründe. Sein jahrelanger, selbstloser Einsatz sorgte wohl dafür, dass er als selbstverständlich wahrgenommen wurde und die an sich verdiente Anerkennung zu oft auf der Strecke blieb. Damit einhergehend sorgten Differenzen mit der Vereinsführung dafür, dass sich über einen längeren Zeitraum ein letztlich zu großes Maß an Frust anstaute, was nun zu diesem tiefen Einschnitt führte – für ihn persönlich, aber auch als Zäsur für den gesamten FSV Schleiz. So steht am Ende eine Entscheidung, die aus Sicht des Vereins äußerst bedauerlich, aber zu akzeptieren ist.
Das Bedauern über diesen beklagenswerten Entschluss, wird jedoch auf der anderen Seite durch ein anderes Gefühl aufgewogen: große Dankbarkeit. Das hält auch Mannschaftskapitän Mirko Horn stellvertretend für die 1. Mannschaft fest: „Als allererstes möchte ich mich bei Balder für die geilen Jahre bedanken. Wir sind fast jedes Auswärtsspiel zusammen mit dem Auto gefahren und hatten immer eine Menge Spaß. Oder vor den Heimspielen haben wir ab und zu mal zusammen einen Pfeffi getrunken, damit ich mal wieder das Tor treffe – hat sogar meistens geklappt! (lacht) Baldi ist ein guter Freund geworden und es ist schade ihn nicht mehr so oft auf dem Sportplatz zu sehen. Ich wünsche dir alles Gute und danke für deinen Einsatz in der 1. Mannschaft als Co-Trainer, Mannschaftsbetreuer und Mutti für alles!“
Enttäuschung, Trauer, Dankbarkeit
Auch Chefcoach Roger Fritzsch, der Dirk Ludwig seit seinem Amtsantritt 2018 an seiner Seite wusste, schließt sich dem Dank an, macht zugleich aber keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, einen wichtigen Mitstreiter verloren zu haben. „Ich bin sehr enttäuscht und traurig, dass Balder aufhört. Mir wurde zu Beginn der Saison mitgeteilt, dass er in seiner Funktion als Co-Trainer aufgrund seiner vielen Tätigkeiten am Sportplatz etwas kürzer treten möchte. Dass er jetzt aber ganz aufhört, ist für uns alle sehr schade und für mich persönlich weder verständlich noch nachvollziehbar. Trotzdem möchte ich mich für die gemeinsamen Jahre bedanken. Das, was er in seiner Freizeit unentgeltlich geleistet hat, ist in Worten eigentlich gar nicht auszudrücken. Respekt!“
Im Rahmen des letzten Heimspiels der Saison, am Samstag gegen den FC Thüringen Weida (zur Vorschau), wird Dirk „Balder“ Ludwig nach 32 Jahren mit vielen Erfolgen, aber auch manch schmerzlicher Niederlage von der 1. Mannschaft verabschiedet.